Samstag, 12. Juni 2010

ich ziehe meinen Hut

Ich schreibe den zweiten Monat zu Ende und tippe den dritten schon bald ab. Verblüffender Weise vergeht die Zeit wie im Flug, wenn man jeden Tag etwas anderes erlebt und sieht, riecht, schmeckt und fühlt.
Südafrika ist immer noch ein Traum und die Frage, die abends als letztes im Raume steht ist lediglich
Kann es morgen noch besser werden?
Da ich noch schwimmen gehen möchte, halte ich mich knapp und fasse stichpunktartig zusammen.

-Ich konnte zwei Wochen lang meinen rechten Zeigefinger nicht bewegen, weil ich ihn mir beim Arbeiten fast abgerissen hätte. Inzwischen ist alles verheilt und vergessen mit dem netten Abschlusssatz einer Ärztin “das hätte eigentlich genäht werden müssen.”.

-Bei einem weiteren Arbeitsvorgang fiel mir ein Holzbrett auf den Kopf, kurz danach kaufte ich mir ein Helm, den ich nicht aufsetzen konnte, weil die Beule zu groß war.

-Eines Morgens wachte ich auf und dachte ich müsse sterben. Ich hatte Kopf-, Nacken-, Augen-, Hals-, Rücken-, Magen- und Gliederschmerzen, haushohes Fieber, angeschwollene Drüsen, Schnupfen und Husten.
Der erste Zeckenbiss meines Lebens.
Und im Nachhinein gleich zwei Stück. Einen an der Hand und den anderen am Mund.
Medikamentöse Behandlung und ein vier Tage langes Bettliegen.
Keine sichtbaren Narben.

-Ich wurde von dem Muh einer Kuh geweckt, die morgens um 5 Uhr unter meinem Fenster stand. (später habe ich sie dann gemolken)

-Ich habe in Durban, einer wunderschönen, immer sonnenbestrahlten Stadt am Atlantischen Ozean in einer Möbelfabrik ausgeholfen und mein verdientes Geld postwendend auf einer Kunstausstellung für ein Bild von Malaki Ndlovu verprasst.

-Ich habe gesehen (und -das eigentlich Schlimme daran- gerochen!) wie Rinder geschlachtet werden und wurde dazu genötigt Mettwurst zu machen. Ich erinnere mich nicht gerne an jene Tage, darum komme ich schnell zum nächsten Punkt

-Ich habe verstanden, was es bedeutet, Liebeskummer zu haben. Richtig.

-Der World Cup.
Ja es nervt mich unglaublich. Und weil ich mich grundsätzlich nicht von Sachen angezogen fühle, die die breite Masse ansprechen (Herzlichen Glückwunsch noch an Lena Meyer-Landruth) war ich umso erstaunter über mich selbst, als ich mich gestern an einem public viewing Standort zum Eröffnungsspiel RSA vs. MEX wiederfand. Die Stimmung war geladen und die Energie geballt; ja es hat mich einfach mitgerissen. Leider kann ich nicht allzu viel wiedergeben was nach dem ersten Tor geschah, da mir -als ich gerade sehr euphorisch fremde Menschen küsste und umarmte- mit einer Vuvuzela in mein rechtes Ohr getrötet wurde. Ich trötete kampfeslustig zurück und leide seitdem unter einer leichten Schwerhörigkeit.

-Als ich ein paar Tage auf einer Farm einer deutschstämmigen Südafrikanerin weilte, glaubte sie mir eine Freude zu machen mit einer rundum Beschallung von Vicky Leandros (auf diesem Weg kann Griechenland sicher nicht geholfen werden) “Theo, wir fahren nach Lodz” waren die ersten Worte einer stundenlangen Höllenqual. Es folgten Klassiker wie “Michaela” von Bata Illic, “Oh wann kommst du” von Daliah Lavi, “Jenseits von Eden” gesungen von Nino De Angelo und und und. Richtig gut wurde es aber erst, als die besagte Farmersfrau unbedingt noch eine Schwarzwälder Kirschtorte backen wollte und ich den ganzen Cherry trinken konnte.

-An einem anderen Tag besuchte ich eine Familie, mit deren Sohn ich kurzzeitig verheiratet werden sollte. Was aber viel wichtiger war, war sich den Namen des bissigen Hofhundes zu merken, damit er mich nicht anfiel. Weil mein Gedächtnis und auch meine Aufnahmefähigkeit ein wenig leidet seitdem ich in Südafrika bin, da es einfach zu viele Namen, Gesichter, Sprachen und Gepflogenheiten sind, die es zu merken gilt, fiel mir das sehr schwer. Einzig und allein der Umstand, dass ich Ulrike Bauer kenne, rettete mich.

Ja der Hund hieß Daisy.
Ich danke dir Frau Bauer.

-”war stories” von Unkle ist und bleibt grandios.

-Lange Hosen sind uncool.

-Meine Mückenstiche sind verheilt.

-Um Annette von Droste-Hülshoff zu verstehen, braucht man sehr viel Jägermeister und Red Bull, ein Fenster zum Sternenhimmel und eine Leselampe.

Hallo Deutschland!
HAPPY HAPPY BIRTHDAY H

toyota

There was a time when urge ruled over reason. And instinct was the only manual. When you lived lean and with blood rushing intensity. When pleasure didnt come sift wrapped. When you werent sensitive. Underweight. Overweight. A responsible, well adjusted human being. A time when you didnt analyse or agonise. Or take pills for it. A time when you wandered beyond the boundaries.
Your gut was chief.

And your brain happily rode shotgun.
Ein weißer Afrikaforscher konnte es nicht erwarten, endlich ins Landesinnere vorzustoßen. Um früher an sein Ziel zu gelangen, zahlte er seinen Trägern ein zusätzliches Gehalt, damit sie schneller gingen und über mehrere Tage lang legten die Träger ein schnelleres Tempo vor. Eines Abends jedoch setzten sich alle auf den Boden, legten ihre Bündel ab und weigerten sich weiterzugehen. Soviel Geld er ihnen auch anbot, die Träger rührten sich nicht von der Stelle. Als der Forscher sie schließlich nach dem Grund ihres Verhaltens fragte, erhielt er folgende Antwort: “Wir sind so schnell gegangen, dass wir nicht mehr recht wissen, was wir tun. Darum warten wir, bis unsere Seele uns eingeholt hat.”.

“Von der Hektik und der langsamen Seele” - Paulo Coelho
In meinem Schuh drückt die Moral
Zum Glück liegt vor mir ein Block und zwar Spiral
So beginne ich mich zu verneigen
Und meinen großen Respekt zu zeigen
Für die Kindheit in einem entwickelten Land
Für alle Finger an der Hand
Für unbeschmutzte Schulbücher
Für Klopapier und Taschentücher
Für ein warmes Essen jeden Tag
Für professionelle Behandlung gegen Zahnbelag
Für sichere Arbeitsplätze
Für Kuscheltiere und Sabberlätze
Für die Möglichkeit der freien Entfaltung
Für Ikea zur individuellen Wohnungsgestaltung
Für ein intaktes Familienleben
Für Materialien zum Basteln und Kleben
Für Telefon, Wecker und Post
Für den geliebten Anorak gegen Frost
Für mit Socken gefüllte Schränke
Für Stühle, Tische, Bänke
Für Schutz und Sicherheit
Für alle Weihnachts-, Oster- und sonstigen Geschenke
Für Vertrauen und Geleit
Für Wasser, Seife und Licht
Denn
Und davon handelt das Gedicht
Selbstverständlich
Ist dies bei weitem nicht
Leider kann ich diesen Post erst heute hochstellen, denn Internetunfähigkeit, ein unbeweglicher Zeigefinger und allgemeine Abwesenheit zu jenem Platz an dem sich mein Laptop befindet, ließen es nicht anders zu.
Besser spät als nie; hier ist die Reise zurück.



Der neunte Mai. Wir alle wissen was das bedeutet. Und ausgerechnet in diesem Jahr fällt dieser Tag auch noch auf einen Sonntag, du kannst dich also nicht per Sms erst spät abends melden und alles auf die Arbeit schieben. Nein eigentlich sogar könntest du gegen mittags mit Blumen vor der Tür stehen.
Es ist Muttertag.
Um ganz ehrlich zu sein, zähle auch ich mich zu den zwar liebenden, dennoch aber sehr schludrigen Kindern dieser Welt. Normalerweise hätte ich meine Mutter heute irgendwann angerufen oder, wäre dies nicht möglich gewesen (ich wiederhole, es ist Sonntag), eine Nachricht geschickt mit einem netten drei oder vier Zeiler, über den sie sich höchstwahrscheinlich gefreut hätte.
Da aber nun der schwerwiegende Umstand herrscht, dass ich mehrere tausend Kilometer von der Frau entfernt bin, die mir einst das Leben und somit auch viele Unannehmlichkeiten schenkte, habe ich beschlossen mal richtig weit auszuholen.
Und so schrieb ich ein ganzes Gedicht.

Ein paar Tage nachdem ich jenes fertig stellte, zog ich mir eine schwere Verletzung an meinem rechten Zeigefinger zu und konnte tagelang nichts anständiges, ja nichts handfestes machen bis auf Sachen, die keiner großen Anstrengung bedürfen.
Im Grunde saß ich nur rum, trank Eistee mit Eiswürfeln, beobachtete andere Menschen beim Arbeiten und
Ich las.

Und das, das hätte ich nicht sollen, denn wie Schicksal und Ironie es so wollen, sollten meine Augen doch über ganz bestimmte Poesie so rollen.




HEINRICH HEINE (1797 bis 1856) - “AN MEINE MUTTER”


Ich bin’s gewohnt, den Kopf recht hoch zu tragen
Mein Sinn ist auch ein bißchen starr und zähe;
Wenn selbst der König mir ins Antlitz sähe,
Ich würde nicht die Augen niederschlagen.

Doch, liebe Mutter, offen will ich’s sagen:
Wie mächtig auch mein stolzer Mut mich blähe,
In deiner selig süßen, trauten Nähe
Ergreift mich oft ein demutsvolles Zagen.

Ist es dein Geist, der heimlich mich bezwinget,
Dein hoher Geist, der alles kühn durchdringet
Und blitzend sich zum Himmelslichte schwinget?

Quält mich Erinnerung, daß ich verübet
So manche Tat, die dir das Herz betrübet?
Das schöne Herz, das mich so sehr geliebet!

Im tollen Wahn hatt’ ich dich einst verlassen;
Ich wollte gehen die ganze Welt zu Ende
Und wollte sehen, ob ich die Liebe fände,
Um liebevoll die Liebe zu umfassen.

Die Liebe suchte ich auf allen Gassen,
Vor jeder Türe streckt’ ich aus die Hände
Und bettelte um g’ringe Liebesspende
Doch lachend gab man mir nur kaltes Hassen.

Und immer irrte ich nach Liebe, immer
Nach Liebe, doch die Liebe fand ich nimmer
Und kehrte um nach Hause, krank und trübe.

Doch da bist du entgegen mir gekommen,
Und ach! Was da in deinem Aug’ geschwommen,
Das war die süße, langgesuchte Liebe.



In diesem Sinne sage ich
Pf, wer ist schon Heinrich Heine?
Keine, meine, seine
Hier nun folgende Reime
Alles Gute und ganz deine.



Sie ist immer da
Mal wütend und hysterisch tatütata
Fürsorglich, aufopfernd lalala
Stets an meiner Seite
Ich erkenne sie aus 53 Kilometern Weite
Es stürmt, es schneit
Zieht sie ihren Mantel schnell über und ist bereit
Es fröstelt, es windet
Eine Kapuze unter der ihr hübsches Gesicht dennoch nicht verschwindet
Es hagelt, es regnet
Zum Glück bin ich ihr 1987 quasi so begegnet
Will sie mit nichts ersetzen auf dieser Scheibe Welt
Weil mir ihr Blut in meinen Adern so gut gefällt
Bin ich ihr Sonnenschein, ihr Antiheld
Ist sie mein Fels in jeder Brandung
Ist sie Picassos Rahmen als noch viel geschmackvollere Umrandung
Ist sie groß, weise und stark
Bin ich alles Andere als autark
Gebe Einzug ihren Worten
Zwischen Keksen, Kaffee und Torten
Gebe ihr hiermit zu verstehen
Hey Mama
Du musst nur aufs heutige Datum mal zu sehen

Denn jedes Jahr ist es das Gleiche
Kein Geschrei und kein Gekreische
Fortbestehend nur die Einsicht

Fucking Maria Magdalena reicht an meine Mutter nicht.
Es ist heiß
Drum läuft der
Kein Wunder bei der Hitze
Dass ich am ganzen Körper
Ein Deodorant, das hält was es verspricht
Gibt es zumindest in meinem Tante Emma Laden
Dies zu wissen bist du nicht erpicht
Pech gehabt, dann lies es nicht.
Ich würde meinen Dank gern artikulieren
Damit alle Anderen dem großen Gönner wegen spekulieren
Würde mich gerne verneigen
Meine ungeteilte Aufmerksamkeit bereitwillig zeigen
Würde meinen Scheitel artig kämmen
Und mit den Tretern noch mal zum Schuster rennen
Würde mir die Hände waschen
Alle Tabakkrümel entfernen aus meinen Taschen
Würde mein bestes Hemd drei Mal bügeln
Würde mich in vulgärer Aussprache mächtig zügeln
Würde Blumen stellen in den fein entstaubten Raum
Würde das Kaffeegedeck vorher waschen mit richtig Schaum
Hach all das wäre ein Traum
Nicht wahr?
Schade dass bisher niemand für den diesen Aufwand lohnt

Bei mir zu Hause war.
Die letzten Sterne sind längst zu Bett gegangen
Die Schichtarbeiter haben ihre Karten abgestempelt wieder aufgehangen
Alle Glühwürmchen
Sitzen wieder in ihrem solarbetriebenen Türmchen
Die Party hat sich langsam ausgetobt
Die Eule den Gesang der Meisel grad gelobt
Die wilden Tiere haben sich verkrochen
Der Rabbiner sein erstes Gebet bereits gesprochen
Einen Kaffee schon gerochen
Bald können alle auf die Uhrzeit wieder pochen
Langschläfer haben es jetzt schwer
Ist der Briefkasten auch noch leer
Und der Tau ganz frisch
Letzte Vorkehrungen auf dem Frühstückstisch
Erste Strahlen über dem Dach
Da kommt es mir in den Sinn
Ich, hier immer noch wach
Ich hier, bin.
Könnte ich Noten lesen, ich würde komponieren
Könnte folgen, ich würde pionieren
Könnte denken, ich würde studieren
Könnte lenken, ich würde regieren
Könnte rechnen, ich würde stornieren
Könnte beißen, ich würde laufen auf allen Vieren
Könnte selbst reflektieren, ich würde mich genieren
Könnte aufnehmen, ich würde es probieren

Könnte nicht lesen, ich hätte mich verschrieben
Könnte nicht warten, ich wäre sitzen geblieben.
Und genau jetzt
Will ich los
Doch ich sitz fest
Bin der letzte Rest
Auf diesem sich zu Ende feiernden Fest
Bin trotzdem gar nicht so schlecht
Will nur aufbrechen; zurecht
Will nur laufen, vor dem Nächsten noch ein Fuß
Will meine Hand heben zum gutgemeinten Gruß
Will noch einen Schluck
Wirklich keinen dann mehr
Wie ich fünffach hier schon guck
Ein Nichts zur Novelle einer Mär
Wie mein Magen sind die Straßen leer
Doch plötzlich ein Taxi um mich aufzulesen

Das ist mein Samstag Morgen gewesen.