Sonntag, 6. April 2008

Another good reason to have a driver's license

Die Bahn tuckert und tuckert vor sich hin; nein ich hab’s nicht eilig. Obwohl ich den ganzen langen Tag Musik gehört habe und Künstler hören musste, die ich nicht leiden kann (das neue Album von REM ist ein sehr authentisches Beispiel hierfür) krame ich meinen iPod aus meiner Tasche, deren Boden mit Tabakkrümeln übersät ist. Und selbstverständlich habe ich keinen einfachen, normalen MP3Player, sondern einen Apple. Let’s go on with the show…an der Jannowitzbrücke steigt eine stark geschminkte Frau ein. Tussi. Sie mustert mich mit dem fragenden Blick, wie es sein kann, dass jemand gut aussieht ohne 50 Euro im Monat für Kosmetika ausgeben zu müssen. Schlussendlich setzt sie sich auf einen freien Platz direkt gegenüber von mir. Überhaupt sind um uns herum viele Plätze frei. Sie wühlt ungeduldig und Aufmerksamkeit erhaschend in ihrer Leder-Schlampen-Tasche. Zum Erschrecken aller Beteiligten holt sie ein Buch heraus, den Titel sowie Autor kann ich leider nicht einsehen. Es kann also auch sein, dass es ein Handbuch zum richtigen Tragen falscher Werte ist. Sie scheint vertieft in das, was sie tut. Vielleicht starrt sie auch nur auf die einzelnen Seiten; insofern sie dies aber tut, tut sie es gut. Was macht diese Person wohl beruflich? Parfümerieangestellte…weiter komme ich mit den Vorschlägen zu meiner eigenen Frage nicht. Ich skippe ein Lied weiter mit meinem zerkratzten iPod.
iPods sind aussagekräftig!
Bahnhof Warschauer Straße; hier steht die S-Bahn immer ewig, wahrscheinlich weil der Fahrer Schiss hat, jemand Besoffenes mitschleifen zu können bei der Abfahrt…was soll’s.
Ein dicker, graubärtiger Mann betritt den Waggon, lässt seine abwertenden Blicke kreisen, bis er sich schließlich an dem stark geschminkten, lesenden Parfümeriemädchen fest guckt. Und sich mit seinem schweren, imposant wirkenden und ebenfalls aus Leder hergestellten Handgepäck neben sie setzt. Sie würdigt ihn keines Blickes. Meine Sympathie für sie steigt sekundenschnell in ungeahnte Höhen.
Er überschlägt seine keulenartigen Beine. Abartig. Er trägt einen zerknitterten Mantel, darunter erkennbar ein Jackett, Krawatte, Hemd. Sicherlich mit immensen Schweißflecken. Seine Tasche stellt er weder auf den Boden, noch auf seinen Schoß, sondern auf den Sitz zwischen sich und der parfümierten Schminkewurst.
„Best known for burning bridges“ schreit es aus meinen Kopfhörern.
Der eklige Typ mit angefressenem Wohlstandsbauch zieht die Alte mit seinen Blicken fast aus. Ich spüre Galle in meinem Hals. Sicher ist er irgendwas verbeamtetes von Berufswegen her. Sicher fährt er in seinem Urlaub nach Thailand.
Er öffnet seine Tasche
Und
Holt ein Buch hervor.
Ist das ein Code für irgendwas in einer Welt, die ich nicht kenne?
Oder nicht kennen soll?
Nicht kennen darf?
Nicht kennen will!
Mit seinen Wurstfingern, von denen sein teurer Ehering vermutlich nicht mal mehr mit Öl abzustreifen geht, blättert er abgelenkt auf den Seiten herum, in denen er das letzte Mal, als er so tat, als würde und könne er lesen, ein Lesezeichen platzierte. Es scheint mir, als lese er einen Satz, spüre aber einfach wieder zu stark diese erotisierende Schwingung; ja fast schon wie ein Aphrodisiakum , die von der schminkenden Parfümmutti ausgeht….selbstredend nur seinetwegen….seines animalischen Anmut wegen…und müsse dann direkt wieder einen Brechen auslösenden Blick zu ihr werfen. Ich werde das Gefühl nicht los, in einem Schmierentheater zu sitzen. Wenn der sittenlose Puffopi Arzt wäre, würde er seinen jungen Patientinnen garantiert immer derart auf die Pelle rücken, dass er sein Skrotum (mein Gott, oder beide) an deren Beine schmiegen kann.
Warum tut die Olle eigentlich nichts? Die muss das doch mitkriegen. Das beweist jedenfalls, dass sie nicht sehr konsequent ist, denn jede anspruchsvolle Frau hätte sich mit einem vernichtenden Augenaufschlag längst weggesetzt. Oder einen spitzen Spruch gerissen.
Wie diese Geschichte wohl weitergeht? Frage ich mich.
Leider muss ich nun aussteigen und diese lustige, illustre Runde verlassen.
Mich hat der Dreckskerl übrigens kein einziges Mal angeschaut.
Dabei habe ich doch auch eine Ledertasche.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Aus dieser Erfahrung lese ich, dass jenes nicht nur in meinem Angesicht.
Sie streben alle nach vollkommenheit.
Doch nicht aus
rechten Gründen.
Alle sind so gleich...
...gleichen einem Klumpen.

Sie werden es NIE ändern, denn SIE sind blind. Geblendet von der Industrie.
KONSUM, GELD UND SEX
schwirrt in ihren Köpfen. Könnte man doch so viel schöneres schöpfen.

("21 Jahrhundert und doch in der Steinzeit")

Ein Blick in Dein Gesicht zeigt so viel Schönheit. Der Fettsack hat sich eine Erfüllung entgehen lassen. S