Freitag, 24. Juli 2009

mister perfect

Der Wind bläst mir angenehm erfrischend um die Nase, der Himmel ist in dunkelblau und Purpur getaucht, es riecht nach Regen. Es ist kurz nach 23 Uhr und noch nicht so richtig dunkel wie in der Nacht, aber wohl schon so, dass man die Ampellichter auf den großen und kleinen Straßen dieser Stadt bewusster wahrnimmt. Ich für meinen Teil stehe gerade an einer solchen Ampel, es ist rot und ich nutze die Gelegenheit um mir eine Zigarette anzuzünden, als mich eine freundliche Stimme anspricht. Sie gehört zu dem Jungen, mit dem ich bereits wenige Minuten zuvor in der S-Bahn verstohlene Blicke austauschte. Doch das wusste ich nicht als ich meinen Kopf nach links neige und gleichzeitig mein krauses Haupthaar hinter die Schulter werfe.

"Kann ich dir für 20 Cent eine Zigarette abkaufen?"

Mit einer mich selbst erschreckend schnellen Reaktion strecke ich ihm meine noch offene Schachtel entgegen und sage "Die kannst du auch so haben!".

20 Cent für eine Kippe. Wie niedlich. Das erinnert mich stark an mein 13. Lebensjahr, als ich zum Kiosk ging und einzelne Glimmstängel kaufte, weil mein Taschengeld aufgebraucht war. Allerdings waren es damals noch 15 Pfennig pro Stück. Mit einem ironischen Unterton frage ich ihn lächelnd, ob er noch Feuer brauche.
"Ja, bitte."
Ich daraufhin entsetzt: "Ja wirklich?"
"Ja echt!"

Er gibt mir mit einem netten "Danke" das Loweprofeuerzeug (ein Werbegeschenk) wieder und setzt sich seine großen silbernen Kopfhörer auf. In diesem Moment schaltet die Ampel auf Grün und ich freue mich, dass die Spiele nun eröffnet sind. Der Zauber des Augenblicks war da, ich habe ihn fast berühren können.
Das hier ist er also, der große Unbekannte, der Retter. Was für ein Nonplusultra an spontaner Romantik. Liebe auf den ersten Blick neben vollen Mülleimern an vertrauten Straßenecken.
Eigentlich habe ich es mir anders vorgestellt, aber ich will Amor da natürlich keine Vorschriften machen.


Der geheimnisvolle Aushilfsraucher läuft zwar noch ein paar Meter hinter mir, aber das ist okay, denn mit meinem Tempo Schritt zu halten, muss ja auch erst mal geschafft werden. Ich kann mir schon vorstellen, wie die Einladungen zu unserer Hochzeit aussehen werden. Das Nikotin führte zwei großartige Menschen zusammen…
Ich frage mich, wie er wohl das Gespräch anfangen wird und was für ein Name zu ihm passen könnte. Wie alt er ist und kommt er überhaupt aus Berlin?

Die nächste Kreuzung jedoch erreiche ich schon allein und zurückgelassen. Er ist weg. Einfach so.
Er hat mich nicht nochmal angesprochen, dabei habe ich ihm doch mit meinem absichtlichen Vorsprung Gelegenheit gegeben, sich ein paar beeindruckende Worte gedanklich zurechtzulegen.
Wo ist denn plötzlich die Romantik von eben?

Ich bin überfordert mit der Situation und schaue mich nochmal um.
Doch neben mir laufen nur zwei Anfang-Zwanziger, die soeben im Kino waren. Das weiß ich, weil ich sie aus dem Kino habe rausgehen sehen. Sie unterhalten sich darüber, dass Stephen King der beste Horrorbuchautor aller Zeiten ist und zählen sich gegenseitig ihre Lieblingsromane auf, die dann verfilmt wurden. Erstes oder zweites Date? Mein Date ist anscheinend in einer Seitenstraße abgebogen. Eine Sackgasse? Ob ich morgen zur gleichen Welle an der gleichen Stelle sein sollte?


Vielleicht war er ja auch schwul.

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