Freitag, 10. Juli 2009

jean claude


Neulich saß ich in dem Wartezimmer meines Hausarztes, um herauszufinden, weshalb ich Beschwerden in meiner Magengegend habe. Leider wurde mir nicht das Glück zuteil, rechtzeitig zur Sprechstunde erschienen zu sein und damit alles schnell hinter mich bringen zu können. Und so zählte ich die Minuten und Sekunden währenddessen ich auf meinem knarzenden Stuhl die anderen Patienten beobachtete und mit meinen ganz eigenen Theorien ihre Krankheitsbilder aufstellte. Schnell wurde mir langweilig und weil ich mir dachte, dass es keinen guten Eindruck hinterlässt, wenn man in so einer Situation wie ich sie da hatte, einnickt, stand ich auf und bahnte mir den Weg zu dem kleinen, hölzernen Tisch, auf dem mehrere Magazine und ärztliche Ratgeber liegen. Da ich kein wirkliches Interesse für die „Bild der Frau“ hege, griff ich mir eine Zeitschrift, die mich immerhin teilweise ansprach. Auf der Titelseite war ein kräftiger Mann frontal abgelichtet, der bei mir den Eindruck erweckt, er könne die Dinge in die Hand nehmen. Angezogen versteht sich. Ansprechend! Erst als ich auf meinem klapprigen Stuhl wieder Platz nahm, bemerkte ich, dass ich mir ein Informationsheftchen griff, welches sich mit Rücken, Wirbelsäule, korrektem Stehen und Haltungsschäden beschäftigt.
Da es mir selbst zu blöd war, wiederholt aufzustehen um mir eine neue Lektüre zu ergattern, die mich ohnehin nicht interessiert, fing ich an, etwas zu blättern.
Einige Augenblicke später wurde mir die Doppeldeutung der Aufmachung bewusst. Die Schlagezeile „Wer richtig geht, hat mehr Spaß am Leben“ rief in mir ein unterschwelliges, abwertendes Prusten hervor, welches schnell in Stirnrunzeln überging.
Ich fragte mich, ob die Redakteure der „Ortho Press“ wussten, was sie mit solchen Sätzen bei einigen Menschen anrichten können. Denn meiner Meinung nach kann man doch nicht einfach so frei von der Leber weg die These bringen „Wer richtig geht, hat mehr Spaß am Leben“.

Denn selbst wenn man richtig durchs Leben geht, kann so manches schieflaufen. Und wer überhaupt sagt einem, wie man richtig zu laufen hat? Ampeln? Regionale Wegweiser? ABC Schützen? Verkehrszeichen? Straßennamen? Bürgermeister? Umzugswagen? Zebrastreifen? Der Wetterbericht? Eckkneipen?

Das Herz?

Mein Arzt öffnet die Tür zu seinem Sprechzimmer und bittet mich herein.

Ich habe vergessen, warum ich hergekommen war.

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